DSINA grüßt euch,
In den zahlreichen bisherigen Berichten von DSINA wird folgendes dargelegt:
„Das Fachgebiet Trampolinturnen steckt, selbst verschuldet, in einer tiefen Krise.“
Mit dieser Problematik setzt sich DSINA – ‚Dabei Sein Ist Nicht Alles‘ – weiterhin auseinander.
Der neueste Beitrag in der Serie ‚Dabei Sein Ist Nicht Alles‘ beginnt mit einer Analyse der Ergebnisse der Olympia-Qualifikationswettkämpfe von 2019, die über die Teilnahme Deutschlands an den Olympischen Spielen in Tokio 2020/21 entschieden haben. Ziel dieser Analyse ist es, die damaligen Ergebnisse mit jenen der Olympia-Qualifikationswettkämpfe 2023 für die Spiele in Paris 2024 zu vergleichen.
Da die Weltmeisterschaften ebenfalls als Qualifikationswettbewerb für die olympischen Spiele gelten, werden auch die Ergebnisse und Platzierungen der deutschen Nationalmannschaft bei den Weltmeisterschaften 2018, 2019, 2021, 2022 sowie der WM 2023 in Birmingham, Großbritannien, miteinander verglichen. Die jeweils acht bestplatzierten männlichen und weiblichen Teilnehmer bei den Weltmeisterschaften 2019 und 2023 qualifizieren sich jeweils automatisch für die Olympischen Spiele. Zweck dieses Vergleichs ist es zu ermitteln, ob nach den deutlichen Warnungen eine Art ‚Wiedergutmachung‘ für das selbst verschuldete Verpassen der Olympischen Spiele in Tokio 2021 seitens der Verantwortlichen stattgefunden hat.
Wie stand es um die Nationalmannschaft im Jahr 2019?
Um für die Weltcups und Weltmeisterschaften 2019 möglichst viele Aktive nominieren zu können, wurden Abweichungen von den erforderlichen Leistungsstandards in Kauf genommen. Diese führten letztlich zu einer Leistungsverlust bei den Trainer- und Aktiven-Gespannen. Infolgedessen wurden für die Weltcups 2019 keine Qualifikationswettbewerbe abgehalten. Stattdessen beschränkte man sich auf verschiedene Leistungsüberprüfungslehrgänge.
Diese Herangehensweise barg eindeutige Gefahren.
Das Ergebnis war so vorhersehbar: Alle ‚Perspektivkader-Aktiven‘ waren für die Weltcups und Weltmeisterschaften 2019 nominiert worden. Leider stellte sich heraus, dass die vermeintlich guten Leistungen bei den „Leistungsüberprüfungslehrgängen“ nicht den Ergebnissen bei den Weltcups und Weltmeisterschaften entsprachen.
Von den fünf Athletinnen und Athleten, die alle vier Weltcups im Jahr 2019 bestritten haben, sind drei heute noch als Deutschlands ‚Perspektivkader-Aktive‘ aktiv: Leonie Adam, M. Pfleiderer und Fabian Vogel.
Ergebnisse 2019
Leonie Adam erreichte nach vier Weltcups den 24. Platz mit 29 von 240 möglichen Punkten.
M. Pfleiderer belegte nach vier Weltcups den 32. Platz mit 16 von 240 Punkten.
Fabian Vogel kam nach vier Weltcups auf den 36. Platz mit 13 von 240 Punkten.
80 % der deutschen Nationalmannschaft konnten sich bei den vier Weltcups nicht unter den Top 30 der Welt platzieren. Bis zu Silva Müllers Ausscheiden aus dem Polizeidienst genossen dieselben 80 % der Mannschaft, zu denen alle männlichen Athleten als ‚Sportsoldaten‘ gehörten, die höchstmögliche Förderung, die Deutschland zu bieten hat.
Noch bedrückender für Deutschland als Trampolinnation ist die Tatsache, dass die drei von der Bundeswehr subventionierten ‚Sportsoldaten‘ – Matthias Pfleiderer mit 16 Punkten, Fabian Vogel mit 13 Punkten und Lars Fritzsche mit 9 Punkten – zusammen nur 38 Punkte in allen vier Weltcups erreichen konnten.
Zum Vergleich: Dylan Schmidt aus Neuseeland erzielte allein beim Weltcup in Baku mit einer Schwierigkeit von 15,60 in der Kür 38 Weltcup-Punkte – genauso viele, wie alle deutschen Teilnehmer in allen vier Weltcups zusammen.
Das ist ein bemerkenswerter Umstand, den man sich vor Augen führen muss.
Die Analyse deckt noch erschreckendere Tatsachen auf, und so stellt sich die Lage wirklich dar:
Matthias Pfleiderer: 25 Sportler konnten in einem einzigen Weltcup mehr Punkte sammeln, als Matthias in allen vier Weltcups zusammen.
Fabian Vogel: 28 Sportler erzielten in einem einzelnen Weltcup mehr Punkte, als Fabian in allen vier Weltcups zusammen.
Leonie Adam: 12 Sportlerinnen sammelten in einem Weltcup mehr Punkte, als Leonie in vier Weltcups. Zusätzlich gab es 22 Sportlerinnen, die in zwei Weltcups mehr Punkte erzielten, als Leonie in vier Weltcups.
Pech? Nein, diese Ergebnisse haben nichts mit Pech zu tun, wie die folgende Analyse aufzeigen wird.
Dass Matthias – stellvertretend für die nicht nachvollziehbare Vorgehensweise des Nationalteams in der Vorbereitung – nicht die gewünschte Leistung erbringen konnte, war im Verlauf der Saison 2019 nicht nur absehbar, sondern geradezu vorhersehbar. Hier ist eine von vielen Begründungen:
Matthias Pfleiderers Schwierigkeitsgrade im Verlauf der Weltcupsaison 2019
Datum | Wettkampf | Schwierigkeitsgrad der Kürübung |
Februar | Weltcup Baku | 16,20 |
März | Flower Cup Finale | 17,10 |
April | Weltcup Minsk | 16,20 |
Juni | Filder Pokal Vorkampf | 16,70 |
Juni | Filder Pokal Finale | 17,80 |
September | Kiepenkerl Pokal | 15,40 (Pflicht abgebrochen) |
September | Worldcup Khabarovsk/RUS | Kürübung abgebrochen |
Oktober | Weltcup Valladolid | 15,80 |
Oktober | Deutsche Meisterschaften | 16,00 (Finale abgebrochen) |
In neun Monaten hat Matthias Pfleiderer sieben unterschiedliche Kürübungen in Wettkämpfen präsentiert. Währenddessen sammelte er bei vier Weltcups lediglich 16 von 240 möglichen Punkten in der Weltcuprangliste, was weit entfernt von den begehrten Top-16-Plätzen für die Olympiaqualifikation 2020/2021 ist. Man muss fragen: Warum sieben verschiedene Kürübungen? Solch ein Wechsel der Schwierigkeitsgrade in einer entscheidenden Qualifikationsphase ist nicht nur verantwortungslos, sondern auch taktisch Selbstmord.
Es war eine fatale Fehlentscheidung des Trainer- und Aktiven-Gespanns. Keiner aus dem dreiköpfigen Trainerteam, inklusive des Teammanagers, wollte die offensichtlichen Risiken ihres Ansatzes akzeptieren, möglicherweise weil sie diese nicht sahen, verstanden oder aus Bequemlichkeitsgründen verstehen wollten. Das Ergebnis ist, dass die Verantwortlichen, darunter die Bundestrainerin, die keine klare Strategie hatte und die Trainer gewähren ließ, die ihr Tun schon längst aus den Augen verloren haben. Insbesondere der selbsternannte ‚Leitende Trainer‘ Michael Kuhn, der die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme seiner Athleten an den Olympischen Spielen in Tokio verfehlt hat. In sechs Monaten turnte Matthias fünf verschiedene Schwierigkeitsgrade, von 15,40 bis 17,80, und mit zunehmender Schwierigkeit sanken seine Punkte in Ausführung, Time of Flight und Horizontal Displacement. Diesen Weg erneut zu beschreiten, bedeutet einen Rückfall in die fehlerhafte Methodik der Vergangenheit, ein provisorisches Flickwerk, das sich mehr als kontraproduktiv erwiesen hat.
Kein Wunder, dass sich das Fachgebiet Trampolin nicht für die Olympischen Spiele 2021 in Tokio qualifizieren konnte.
Schwierigkeitsgrade der Kürübungen von Leonie Adam in der Weltcupsaison 2019
Welche Schwierigkeitsgrade haben der Trainer und Leonie Adam für die entscheidende Weltcupsaison 2019 für ihre Kürübungen festgelegt?
Datum | Wettkampf | Schwierigkeitsgrad der Kürübung |
Februar | Weltcup Baku | 12,90 |
März | Flower Cup | 13,70 |
April | Weltcup Minsk | 13,10 |
Juni | Filder Pokal Vorkampf | 14,10 |
Juni | Filder Pokal Finale | 13,10 |
September | Kiepenkerl Pokal WM Quali | Kürübungen abgebrochen |
September | Weltcup Khabarovsk/RUS | Kürübung abgebrochen |
Oktober | Weltcup Valladolid | 13,70 |
Oktober | Deutsche Meisterschaften | 13,30 |
Leonie Adam ist bekannt dafür, nicht die stabilste Turnerin zu sein – dies ist ein offenes Geheimnis unter Insidern. Trotzdem oder deswegen ist es unverständlich, dass Leonie und ihr Trainer Michael Kuhn in der kritischen Vorbereitungsphase auf die Olympischen Spiele mit verschiedenen Kürübungen experimentierten. Hätte hier der Teammanager intervenieren und ein Machtwort sprechen müssen? Verschiedene Übungen zu praktizieren, erfordert Zeit – eine Ressource, die Leonie im Jahr 2019 nicht hatte. Ähnliche Probleme traten auch bei Fabian auf. Kein Mitglied der deutschen Mannschaft konnte sich diesen Luxus leisten, aber scheinbar war das niemandem ein Anliegen.
Woran lag das enttäuschende Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft?
Die Ursache liegt in einer grundlegend falschen Vorgehensweise. Eine planmäßige, methodisch durchdachte Strategie zu verfolgen, erschien dem Trainerteam der Nationalmannschaft als zu schlicht, zu monoton und zu mühsam. Stattdessen wurde auf bewährte, jedoch überholte Methoden zurückgegriffen und fortgesetzt. Jeder Trainer kochte sein eigenes Süppchen und ignorierte bewährte Rezepte einer systematischen und methodischen Herangehensweise. Der Status quo wurde hochgehalten, obwohl dessen Scheitern nachweisbar war.
Die Trainergemeinschaft trägt Verantwortung für ihre Athleten und darf dabei nicht vergessen, dass sie und ihre Sportler nicht nur sich selbst, sondern auch Deutschland repräsentieren – eine Ehre, die allzu schnell in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Das Motto „Dabei sein ist nicht alles“ wurde missachtet. In den letzten sieben Jahren (2017 bis 2023) konnte kaum ein Teilnehmer an internationalen Wettbewerben sich regelkonform qualifizieren. Warum? Aufgrund zweifelhafter Machenschaften und internen Entscheidungen konnten alle ausgewählten und sogenannten „Perspektivkader-Aktiven“ an allen fünf Weltmeisterschaften teilnehmen.
Die Ergebnisse:
Matthias Pfleiderer:
- 2018: Halbfinale erreicht, 23. Platz mit abgebrochener Übung (12,065 Punkte).
- 2019: Halbfinale erreicht, 23. Platz mit abgebrochener Übung (6,640 Punkte).
- 2021: Halbfinale erreicht, 18. Platz mit abgebrochener Übung (29,500 Punkte).
- 2022: Halbfinale verpasst, 39. Platz (56,020 Punkte).
- 2023: Halbfinale erreicht, 20. Platz.
Fabian Vogel:
- 2018: Halbfinale erreicht, 20. Platz.
- 2019: Halbfinale verpasst, 41. Platz.
- 2021: Halbfinale verpasst, 60. Platz.
- 2022: Halbfinale erreicht, 10. Platz.
- 2023: Halbfinale verpasst, 97. Platz von 99 Teilnehmern (12,210 Punkte).
Matthias Schuldt:
- 2021: Halbfinale verpasst, 71. Platz.
- 2022: Halbfinale verpasst, 26. Platz.
- 2023: Halbfinale verpasst, 33. Platz.
Leonie Adam:
- 2018: Halbfinale erreicht, 10. Platz (54,310 Punkte).
- 2019: Halbfinale erreicht, 18. Platz.
- 2021: Halbfinale verpasst, 47. Platz in der Qualifikation.
- 2022: Halbfinale erreicht, 11. Platz in der Qualifikation.
- 2023: Halbfinale verpasst, 36. Platz in der Qualifikation (52,180 Punkte).
Aileen Rösler:
- 2019: Halbfinale verpasst, 28. Platz (52,555 Punkte), als zweite Reserve für das Halbfinale.
- 2022: Halbfinale verpasst, 45. Platz (50,750 Punkte).
- 2023: Übung zweimal abgebrochen, 74. Platz von 76 Teilnehmerinnen (21,330 Punkte).
DSINA stellt erneut die kritische Frage: Wo sind die Fortschritte des sogenannten ‚Perspektivkaders‘, die in den letzten Jahren zu erwarten gewesen wären?
Die Antwort ist schlicht: Es gab keine.
Warum nicht? DSINA hat diese Frage schon mehrfach gestellt und möchte sie hier noch einmal in den Fokus rücken. Zur Erinnerung: In den letzten drei Jahren hat DSINA Dutzende von Analysen mit Vergleichszahlen und Verbesserungsvorschlägen veröffentlicht. Zudem wurde angekündigt, dass zukünftige Podcasts, Blogs und Vlogs auf eine Dauer von ca. 30 Minuten ausgerichtet sein werden. Aufgrund dessen wird DSINA diesen Podcast und Blog in zwei Teilen präsentieren.
Im zweiten Teil der Berichterstattung springt DSINA von den Jahren 2018/19 bis ins Jahr 2023 und fragt noch mal nach den Fortschritten, die in den fünf Jahren zwischen 2019 und 2023 gemacht wurden, um sich für die Olympischen Spiele in Paris zu qualifizieren.
Die Antwort darauf wird folgen.
Wie immer, in diesen schwierigen Zeiten, passt auf euch auf. Bleibt gesund und munter, euer Podcaster und Blogger.
David Pittaway